
‚Emil Nolde? Kennt man doch schon.’ – war mein Gedanke, als immer mehr Leute von der aktuellen Ausstellung im Weißen Kubus der Galerie der Gegenwart schwärmten. Mir im Sinn sind die in üppigen Farben schwelgenden Blumenbilder, expressionistisch bunte Landschaften, gelbe Wolken im Abendlicht, rote Äcker mit weiten Horizonten, norddeutsche Schwere von intensiver Strahlkraft.
„… bei dem Getriebe auf den Landungsbrücken saß ich, immer arbeitend …“

Die Hamburger Ausstellung dagegen begrüßt den Besucher monothematisch und weitgehend monochrom: Darstellungen von Segelbooten, Dampfschiffen, Schleppkähnen vor Hafenkulisse, bewegtem Wasser – wir sind mit Nolde in Hamburg, das der Maler vor über 100 Jahren besuchte und das ihn fasziniert hat.
„Hamburg ist für mein Auge so reich an Schönheit.“

So kommentiert ein Nolde-Zitat im ersten Raum das Verhältnis des später von den Nazis als entartet abqualifizierten Künstlers zu unserer Stadt. In vielen Varianten und technischer Vielfalt arbeitet sich Nolde an dem ab, was Hamburg umgibt und für ihn ausmachte: Schiff auf Wasser, bewegtes Wasser, Hafen, fließendes Wasser, Dock, Hafen.
„Es war ein Untertauchen des ganzen Menschen in Arbeit und Spannung …. „

Den so farb- und formengewaltigen Nolde lernst du hier bis ins Abstrakte Schwarz auf Weiß reduziert kennen. Bei all der Fülle des präsentierten Werks behält doch ein jedes seine besondere Spannung. Einzelne Ölbilder dazwischen erhöhen dabei die Wirkung des Ganzen.
„Die entstandenen Radierungen hatten Lärm und Tosen, Rausch und Rauch und Leben.“

Ja, natürlich wird Nolde kunsthistorisch in Beziehung zu relevanten Zeitgenossen gesetzt. Die Ausstellung dokumentiert außerdem das geschäftliche Verhältnis des norddeutschen Künstlers zur Hansestadt und zur Hamburger Kunsthalle. Hier fand er Kontakt zu wichtigen Kunsthändlern und solventen Sammlern, hier wurde sein Name bekannt, auch über die Verfemung während der Nazizeit hinaus. Die letzte Station des Rundgangs führt dich in einen Raum mit Nolde-Bildern von privaten Hamburger Besitzern/Leihgebern, wohlweislich keiner mit Namen genannt.
„In der Heimatprovinz fand meine Kunst fast nur Ablehnung. Erst mit Hamburg … begann etwas Interesse.“

Politisch korrekt wird auch Noldes äußerst zwiespältiges Verhältnis zum nationalsozialistischen Kunstverständnis erwähnt: Der national gesonnene Deutsch-Däne versuchte, sich dem Reichspropagandaminister Goebbels anzudienen und konnte den Ausschluss aus der NS-teutschen Malerriege nicht akzeptieren bzw. nahm keine kritische Distanz dazu ein. Zudem sind antisemitische Äußerungen des 1867 Geborenen dokumentiert, obwohl für ihn wichtige Kunsthändler und Sammler jüdisch waren.
Sollte man den Künstler von dem seiner Zeit verhafteten Homo Politicus trennen?

Jedenfalls kann man sein Schaffen wertschätzen, auch die Geradlinigkeit seines Werks, die sich vom Diktat der Nazi-Diktatoren nicht verbiegen ließ. Ausführlich dargelegt wird der Forschungsstand zur Bewertung Noldes Haltung auch im Nolde-Museum in Seebüll. Das in einem opulenten Garten liegende Haus kann ich jedem Interessierten als wunderschönes und beglückendes Ausflugsziel für den Sommer sehr empfehlen.